Der Islam an der Ostsee
Der Ostseeraum gewann bereits in alter Zeit - so im 8. und 9. Jahrhundert - an großer Bedeutung in der sogenannten "alten Welt", da von dort aus das begehrte Bernstein weithin transportiert wurde. Eine wichtige Handelsstraße führte vom späteren Ostpreussen nach Griechenland. Eine viel bedeutendere Verbindung aber, die die Bernsteinstraße mit der Seidenstraße verband und das versteinerte Baumharz bis China importierte, führte über das Großreich der Khazaren (Chasaren). Diese waren ein Turkvolk nördlich des schwarzen Meeres. Im 9. Jh. entschloss sich die Oberschicht der Khazaren zu einem monotheistischen Glauben überzutreten. Da sie fürchteten, sich als Muslime von den Arabern und als Christen von den Byzantinern abhängig zu machen, wählten sie eine Version des judäischen Glaubens.
Da die Khazaren aber wohl religiös sehr tolerante Herrscher waren, wurden christliche und muslimische Missionare in ihrem Reich erlaubt und so gehörte ein nicht unwichtiger teil des khazarischen Volkes bald zum Islam.
Khazarische Händler, so sagen die neusten Forschungen, kontrollierten gemeinsam mit den Wikingern die Handelsstraßen zwischen Baltikum und Zentralasien. Man hat aus der Zeit der Khazaren in Schweden eine Handelsstadt ausgegraben - Birka - welche zunächst wohl für eine Wikingersiedlung gehalten wurde - in der Populärliteratur oftimmer noch so dargestellt wird -, von der man aber heute sagt, dass sie wohl eine Kolonie das Turkvolkes war, in der vermutlich khazarische Juden, Muslime und andere siedelten und den Handel in der Region regulierten.
Dank der Wikinger gab es auch andere Verbindungen des Ostseeraumes in die islamische Welt. Die Wikinger trieben Handel mit den spanischen Muslimen und entweder führte dies spanische Muslima an die Ostsee, oder Menschen von der Ostsee konvertierten zum Islam. Jedenfalls konnte man aus der Wikingerzeit auf der Insel Bornholm muslimische Gräber ausfindig machen.
Auch die Galinder/Galindier - ein Stamm der noch nicht germanisierten Preussen (Prussen) hatte - wohl durch die Wikinger - Verbindungen in das Kalifat von Cordoba. Galindische Söldner wanderten in einer gewisser Anzahl nach Spanien aus und kämpften u.a. auf der Seite des Kalifen gegen Karl Martell.
Einige gewichtige Muslime des alten Andalusiens hatten galindische Ahnen.
Eine richtige muslimische Präsenz im baltikum entstand aber erst durch die islamisierung der Tataren im Osten Europas.
ei abltischne Staaten udn die Tataren waren im Laufe ihrer Geschichte mal Feinde und mal Verbündete, so dass abwechselnd muslimische Kriegsgefangene udn dann wieder Händler und Flüchtlinge im Großfürstentum Litauen und im Königreich Polen (die sich bald schon durch Heirat der Herrscher verbanden) siedelten.
1398 flüchtete der Tatarenprinz Tochtamysh mit seinen Gefolgsleuten nach Litauen und wurde freundlichst aufgenommen.
1430 rief Prinz Shvitrigalis von Litauen 3000 tatarische Söldner in seine Armee etc.
Die Neuankömmlinge waren meistens nur Männer, die dann einheimische polnische,litauische und weißrussische Frauen ehelichten und so schnell sprachlich Teil der allgemeinen Bevölkerung wurden. Der Islam blieb aber ein wichtiger teil iherer Identität und wenngleich es einige Konversionen zum Christentum gab, so haben doch die polnischen und litauischne Tataren bis zum heutigen Tag ihre Religion behalten.
Im 16. Jahrhundert wurden dann die ersten Moscheen und Medressen gebaut und in einem weißrussischen Dialekt - aber geschrieben mit arabischen Buchstaben - entsand sogar eine eigene Literatur der baltischen Muslime.
Die baltischen Musliem hatten auch großen Einfluss auf die generelle Kultur der Region.
Einige polnische und litauische Rezepte sind tatarischer herkunft (z.B. stammen Piroggen von den Böreks ab), der Adel der Gegend kopierte tatarische Mode und auch auf die Gestaltung des Militärs hatten die Tatern Einfluss:
Die Ulanen-Lanzer bestanden ursprünglich hauptächlich aus den "oghlani", den tatarischen Kleinadeligen, udn ihre Uniformen sind tatarischer Herkunft.
Zeitweise gab es Verfolgungen der Muslime in Polen-Litauen, was im 17.Jh zu Rebellionen führte. Der polnische Staate belehrte sich daraufhin eines besseren und die Muslime wurden daraufhin als Vollmitglieder des Adels betrachtet, mit allen Rechten aber auch Pflichten.
Durch die Einverleibung polnischer Gebiete in Preuseen bildete ein Teil dieses polnisch-muslimischen Adels dann später auch die Grundlage für eine der ersten muslimsichen Gemeinden in deutschsprachigem Gebiet.
Tatarisch-Muslimische Söldner waren in vielen ostpreussischen Garnisonsstädten stationiert und es gab im 18. Jh. und 19. Jh. im ganzen Baltikum Inseln muslimischer Kultur.
Im 19. Jh. siedelten auch in Finnland tatarische Händler, deren Nachkommen bis heute ihre tatarische Sprache und muslimsiche Kultur pflegen, und zu Beginn des 20. Jh. gab es im damals deutschen Danzig sogar eine Sufi tekke der Bektaschi-Derwische.
In Polen, Litauen und Finnland wird in Vereinen, Moscheen und Medressen diese einheimisch-nordeuropäische und seit Jahrhudnerten bestehende Form des Islam bis heute gehegt und gepflegt und Danzig wurde zu einem Zentrum einer religiösen Erneuerungsbewegung für Muslime in ganz Osteuropa ausgebaut.
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