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Stille Nacht in der Herberge

Bei sufischen Muslimen in der Eifel / Von Michael Hanfeld


KALL, im Dezember. Von außen wirkt die "Osmanische Herberge" wie ein Vereinslokal, das seine besten Tage lange hinter sich hat. Erst hinter der Tür und nur an einem Abend wie diesem offenbart sich, daß der äußere Schein trügt. Die Herberge ist besetzt bis auf den letzten Platz, Kinder lärmen auf dem Gang, Händler legen im großen Saal, der zugleich Gebetsraum ist, ihre Waren aus, Familien suchen sich eine Schlafstatt für die Nacht und richten sich in den wenigen Zimmern ein. Die meisten tragen einfache Gewänder aus Wolle, die Männer dazu einen Kopfschmuck, einen Turban, der um einen kleinen Spitzhut gelegt wird. Einem Weißbärtigen, der bescheiden auftritt, bezeugen die Besucher Ehrerbietung. Sie sind von weither angereist, kommen aus ganz Deutschland, aus Holland, Belgien, Paris, um ihn zu sehen, um seine Hand zu ergreifen und einmal im Monat mit ihm zu beten und zu meditieren. Scheich Hassan Peter Dyck nimmt die Bekundungen mit gütiger Miene entgegen, hört zu und gibt Rat in allen Lebenslagen. Am Ende dieser bis weit in die Nacht reichenden Versammlung wird seine Stimme beinahe nicht mehr zu hören sein. Das hat weniger mit den vielen Gesprächen denn mit seinen angegriffenen Stimmbändern und vielleicht auch damit zu tun, daß die Heizung nicht wirklich funktioniert.


Scheich Hassan Peter Dyck ist das Oberhaupt des Haqqani Trust, der bis 1992 West-Östlicher Diwan hieß und als Stiftung verschiedene islamische Projekte unterstützt wie diese Begegnungsstätte in Kall-Sötenich, die leicht nur findet, wer sich in der Eifel auskennt. Die äußere Zurückgezogenheit paßt zu dieser Gemeinde, die dem sufischen Islam folgt, bei dem die innere Beziehung zu Gott im Zentrum des Glaubens steht. Wer ein guter Muslim sein will, der muß bei sich selbst anfangen, so lautet hier die Botschaft, oder, wie Scheich Hassan zitiert: "Ein guter Muslim ist jemand, vor dessen Hand oder Mund sich niemand zu fürchten braucht."

Der Haqqani Trust gehört zum Orden der Nakschbandi, der sich in eine radikalere und eine gemäßigtere Richtung scheidet, das Oberhaupt des letzteren ist Scheich Nazim Adl al-Haqqani al-Kubrusi, der von seinen Anhängern als Heiliger verehrt wird und auf Zypern residiert. Die mystische Strömung des Islam, die als "Sufismus" bezeichnet wird, soll bereits zu Lebzeiten Mohammeds entstanden sein. Sie strebt nach einer inneren Beziehung zu Gott, die bis zur Erfahrung der Einheit des einzelnen mit Gott reicht. Also geht es zunächst um Selbsterkenntnis, Askese, Meditation und Hingabe, wie sie auch aus christlichen Orden bekannt sind. Oder, wie es in einer Darstellung der Nakschbandi heißt: "Sufismus ist der uralte und zeitlose innere Weg des Islam, der Weg des Herzens, der Weg der Hingabe und der Liebe zum Schöpfer und zu all seinen Geschöpfen." Was vielleicht auch schon erklärt, warum diese Glaubensrichtung vor allem junge Menschen als potentielle Konvertiten anspricht. Der Begriff Sufi selbst leitet sich her vom arabischen "suf" (Wolle). Die Sufis sind die "Wollbekleideten".

Innerhalb des Islam sind sie die natürlichen Gegenspieler vor allem der Wahhabiten, die einen aggressiven Islam predigen und diesen von Saudi-Arabien aus in alle Welt tragen, was nach dem Mord an dem holländischen Filmemacher Theo van Gogh auch bei uns zu Bewußtsein gekommen ist. Seit man sich die Frage stellt, wer was in welcher Sprache in den Moscheen in Deutschland predigt. Dabei fiel nicht nur ein Prediger in Berlin auf, der die Deutschen als stinkend, unrasiert und zu nichts nutze bezeichnete, sondern vor allem die mit saudischem Geld betriebene Fahd-Akademie in Bonn, auf deren Lehrplan nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ebenjener aggressive Islam steht, den man als Außenstehender für den vornehmlich oder gar einzig existenten halten könnte.

Allein ihr Erscheinungsbild macht die Sufis, vielleicht erst recht, wenn sie geborene Deutsche sind, verdächtig. Am 27. Juni 2003 erschienen sie der Bundesanwaltschaft so zwielichtig, daß ein Sondereinsatzkommando die "Osmanische Herberge" stürmte, alles auf den Kopf stellte und rund ein Dutzend Personen für einige Stunden in Gewahrsam nahm. Ein, wie Scheich Hassan erklärt, psychisch gestörtes Mitglied der Gemeinde hatte schauerliche Dinge erzählt, die sich zwar polizeilich nicht belegen, in der Boulevardpresse aber schnell zum Verdacht hochschreiben ließen. Doch diese Episode hat Scheich Hassan inzwischen abgehakt. "Die Muslime sind für den Ruf des Islam selbst verantwortlich", sagt er, verhehlt aber nicht, daß das neue Mißtrauen auch ihn und seine Gemeinde belaste. Nach all den Jahren finde er sich jetzt an dem Punkt, die Gesellschaft zu fragen: "Wollt ihr, daß wir hier sind, oder nicht?" In seiner Predigt, die er in Deutsch und Englisch hält, nimmt er sich einen Meinungsartikel des evangelischen Bischofs Wolfgang Huber vor, in dem dieser in Zweifel ziehe, daß Muslime und Christen an denselben Gott glaubten. Was aber, fragt Scheich Hassan die Gläubigen, folge aus einem monotheistischen Glauben, wie er Christen, Juden und Muslimen gemeinsam sei? Wo solle ein zweiter, anderer Gott herkommen?

Daß der Islam die Vervollkommnung der anderen Religionen darstelle, ist wiederum nicht nur die Überzeugung eines jungen Mannes, der mit uns zum Essen am Tisch sitzt. Bereits das Alte Testament halte fest, daß nach Jesus Christus ein Prophet komme, und dieser sei niemand anderes als Mohammed gewesen, dessen Lehre die Sufis nicht nur aus dem Koran beziehen, sondern auch aus den vielen tausend Sprüchen und Begebenheiten, die von ihm in den "Hadithen" bezeugt sind. Welche die Wahhabiten wiederum als Glaubensquelle nicht anerkennen, wohingegen die Sufis die unzähligen Vorschriften, welche die Wahhabiten aus dem Koran ableiten, für weltliche Gedanken und nicht gottgegeben halten. So finden sie sich zwischen den Stühlen, meinen, daß die katholische Kirche mit ihrem Führungsanspruch nicht von Toleranz sprechen könne, und sehen sich von den tonangebenden Wahhabiten, wenn es gutgeht, höflich ausgegrenzt oder regelrecht verfolgt, wenn sie nach Mekka pilgern.

Am späten Abend, nach dem Essen und reichlich Tee, versammeln sich die Gläubigen im großen Saal. Die Männer sitzen auf einer Empore, die früher, als dies ein Gasthaus war, vielleicht für die Musikkapelle gedacht war. Auf den Teppichen sechs Stufen darunter nehmen die Frauen und Kinder Platz, 300 Menschen, Araber, Türken, Afghanen, Afrikaner und Deutsche. "Alhamdulillah" singen sie - "gepriesen sei Gott". In der Predigt wird das zur Losung, in die sich die Gläubigen, begleitet von Flöte und Trommel, hineinsteigern. Laut und leise, hart und weich erklingen die Stimmen und üben einen Sog aus, der den Gläubigen eine innere Beziehung zu Allah eröffnet. Das ist der Weg des Islam, den die Sufis meinen, das hat Scheich Hassan auch einem jungen Afghanen an unserem Tisch erklärt, der wissen wollte, was denn durch den "Dschihad" an berechtigter Gewalt erlaubt sei. Nichts von dem, was im Augenblick geschieht, erklärt ihm der Scheich, nach dessen Worten sich jemand wie Usama Bin Ladin bei seinen Taten auf Religion nicht berufen kann. Wie soll es mit dem Islam vereinbar sein, Tausende Menschen zu töten, indem man Flugzeuge in Hochhäuser steuert? Oder, wie in Beslan, unschuldige Kinder verdursten oder verhungern zu lassen und in die Luft zu sprengen?

Das sind die Fragen, sagt Scheich Hassan Peter Dyck, die Nicht-Muslime an seine Religion stellen. Daß sie darauf aber wenige und selten so eindeutige Antworten wie von ihm zu hören bekommen - das habe mit der Entmachtung des islamischen Klerus zu Beginn des letzten Jahrhunderts in der Türkei zu tun. Die Abschaffung des Kalifats habe es nämlich erst ermöglicht, daß heute radikale Schulen ihre Lehre als die allein seligmachende Botschaft Allahs ausgeben und in der ganzen Welt Anhänger für eine als Religions- und Kulturkrieg angelegte Auseinandersetzung anwerben können. Der Islam, den die Sufis leben, hat damit nichts zu tun: "Frieden finden durch Gottergebenheit", rät Scheich Hassan den jungen Leuten, die ihn mit Fragen bestürmen. "Wir begrenzen das Ego, das ist Islam. Ich bin gekommen, den Charakter der Menschen zu vervollkommnen, das sagt der Prophet. Alhamdulillah."

Seinen persönlichen Lehrer traf Scheich Hassan am 5. Februar 1979 in Damaskus. Er erinnert sich auf den Tag genau. Im Jahr zuvor war er nach Saudi-Arabien ausgewandert, hatte Arabisch gelernt und "unangenehme Erfahrungen mit den Wahhabiten gemacht". Scheich Nazim zu sehen sei eine Offenbarung gewesen. Jeden Tag zwei Lektionen habe es gegeben. Und hätte seine Frau nicht entschieden, eine Verwandte in Deutschland zu pflegen, wäre Scheich Hassan vielleicht noch heute in Syrien oder auf Zypern. So kehrte er zurück. Eine Heimat jedoch findet der Sufi hier nicht, sondern nur da, wo er erwünscht ist.

Als es bereits auf zwei Uhr nachts zugeht, sind die Gesänge zu Ende. Nicht nur die Kinder sind, in Decken gehüllt und Mäntel gebettet, eingeschlafen. Jetzt macht ein Brief des Haqqani Trust die Runde. Man bittet die "lieben Brüder", "zu arbeiten und zu spenden, euch zu drehen, auch und gerade für die Familien". Ein Klingelbeutel geht herum. Auf die Nützlichkeit von Überweisungsformularen wird hingewiesen. Die Abfolge erinnert an christliche Gottesdienste - so wie Scheich Hassan als die Verkörperung von "Nathan dem Weisen" erscheinen mag. Mit Hoffnung erfüllt den Sufi-Lehrer, daß im Kleinen - zwischen den Gemeinden und an den Schulen - der Dialog funktioniert. Die Bedeutung des Dialogs sieht er übrigens ähnlich wie der evangelische Bischof Huber. So hat Scheich Hassan mit protestantischen und katholischen Geistlichen einen gemeinsamen Gottesdienst gefeiert und Kinder einer Grundschule in der "Osmanischen Herberge" zu Gast gehabt, die sich über die Weltreligionen informierten.

Als alle Scheich Hassan noch einmal die Hand gegeben und viele sich verabschiedet haben, kommt ein junges Paar auf die Bühne, das verheiratet werden will. Es ist eine kurze und spontane Prozedur, ein Gespräch, ein Gebet, ein Gesang derer, die noch versammelt sind. "Der Islam bedeutet, von Allah die Einladung annehmen, Mensch zu sein", sagt Scheich Hassan heiser. Wie diese Einladung der Sufis gemeint ist, davon kann man sich einmal im Monat in der Eifel überzeugen.


Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2004, Nr. 299 / Seite 9





Geschrieben am: 22.12.2004
gelesen: 10630
Autor: Frankfurter Allgemeine Zeitung
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